Spiraldynamik® -Jahreszeitschrift 01/96
Wem nützt Spiraldynamik?
von Christian Heel
   
Üben  

befreien

"Für mich ist Bewegung mehr als nur Bewegung. Bewegung ist es wert, um ihretwillen erlebt zu werden, mit der ganzen Konzentration meines Bewusstseins, mit der ganzen Aufnahmebereitschaft meiner Sinnesorgane. So vermag Bewegung das Leben zu erfüllen und den Körper gesund zu erhalten."
 

Wem nützt Spiraldynamik?Zu welcher der drei Gruppen gehören Sie ?
Die erste, die professionelle Bewegungsgruppe, umfasst Menschen, die sich beruflich mit dem Phänomen menschlicher Haltungs- und Bewegungskoordination auseinandersetzen. Dem spiraldynamischen Konzept liegt eine allgemein- verbindliche Basis, die Anatomie menschlicher Bewegung zugrunde. Die damit verbundene Freiheit von Spezialisierung und Fachgebundenheit ermöglicht neben fachspezifischen Innovationen einen vertieften, fachübergreifenden Erfahrungs- austausch.
In der zweiten Gruppe befinden sich Menschen, die bewegt durchs Leben gehen, ohne Bewegung zum Lebensthema gemacht zu haben. Dieser Gruppe fehlt erfahrungsgemäss das konkrete Know-How, wie Ökonomie, Effizienz und ästhetische Ausdruckskraft der Bewegungsabläufe verbessert werden können. Die Bildung verschiedener Interessengruppen ermöglicht es, gezielt daran zu arbeiten.
Die dritte Gruppe umfasst Menschen, die kein besonderes Interesse an Bewegung haben. Ihre Motivation für gesunde Bewegung wurzelt meistens in konkreten Problemen, chronischen Verspannungen oder hartnäckigen Schmerzen. Bewegungsarmut, verlorengegangene Geschmeidigkeit sowie chronischer Fehlgebrauch führen zu einer ganzen Palette von Beschwerden. Durch das (Wieder-)Erlernen koordinierter Bewegungsabläufe kann eine Vielzahl kleinerer und grösserer Probleme in eigener Regie erfolgreich angegangen werden. Diese Form der aktiven Langzeitprophylaxe bewirkt meistens eine deutlich spürbare Steigerung des körperlichen Wohlbefindens und damit eine Verbesserung der Lebensqualität.
  
Jungbleiben durch Bewegung
  
Bewusstsein und Bewegung anstelle von Hammer und Meissel
Altersveränderungen sind im Wesentlichen auf zwei Faktoren zurückzuführen: einerseits auf die Schwerkraft, die alles nach unten zieht, und andererseits auf die Reaktionsweise des Körpers, der sich dagegen wehrt. Die Schwerkraft zieht den Kopf vornüber, die Nackenmuskulatur versucht, unter Dauerstress ein weiteres Wegrutschen des Kopfes zu verhindern. Die Schwerkraft lässt die Brust einfallen, das Hochziehen der Schultern stellt den Versuch dar, diesem Prozess Einhalt zu gebieten. Die Schwerkraft zieht den Oberkörper nach vorne - das vielleicht auffallenste Merkmal des alternden Menschen - Bein- und Rückenmuskulatur müssen ständig dagegen ankämpfen.
Diesen Kampf gegen die Schwerkraft kann der Mensch nur verlieren! Beides, sowohl der schwerkraftbedingte Haltungsverfall wie auch die Dauerverspannung des sich verzweifelt dagegen wehrenden Körpers beschleunigen den Alterungsprozess.
Die Aufrichtung erfolgt nicht gegen, sondern mit der Schwerkraft. Mit der Schwerkraft bedeutet, die Schwerkraft als eine unsichtbare Leitlinie zu benutzen, um den Körper möglichst ökonomisch wieder ins Lot zu bringen. Die Wiederaufrichtung verlangt ein gezieltes Beweglichkeitstraining, nämlich dort, wo der Körper frühzeitig unbeweglich geworden ist. Dies ist das Schlüsselelement des Selbstverjüngungsprozesses im Alter.
Spiraldynamisches Übungsprogramm
Dehnspannung, Geheimnis der beweglichen Wirbelsäule
Ich möchte Ihnen helfen, diesen WEG zu entdecken, Bewegungsmuster wahrzunehmen, sie zu verbessern und in den Alltag zu integrieren.
Die Übungen sollen alle sanft ausgeführt werden, mit wenig Kraft und mit viel Gefühl. Schmerzen sind immer ein Hinweis des Körpers, dass er zu stark belastet ist. Auch Ruhe kann manchmal Therapie sein!
Bei allen Übungen wird zuerst erklärt, wofür sie speziell geeignet sind, und am Schluss der Beschreibung finden Sie jeweils einen Vorschlag, wie oft sie wiederholt werden sollten. Dabei habe ich eine "Minimalvariante", die bei konsequenter Ausführung dieser Übung genügt, und eine "Maximalvariante" für besonders fleissige angegeben.Integration in den Alltag bedeutet jeweils Ideen finden, um die neu erlernte Haltung in das Alltagsleben zu integrieren - die wohl wirkungsvollste Art, eine Veränderung des eigenen Körpers zu erreichen. Erweitern Sie im Laufe der Zeit diese Liste durch einige Beispiele, so dass Sie sich Ihrer Haltung im Alltag immer bewusster werden.
Das kleine theoretische Einmaleins - notwendig, um die Übungen sinnvoll ausführen zu können - sieht folgendermassen aus:
Die beiden Pole - Kopf und Becken - bestimmen die Haltung des gesammten Stammes!
Kopf und Becken richten sich gleichzeitig auf; Der Kopf dreht nach hinten-oben, das Becken nach hinten-unten; Der Nacken wird nach oben, der untere Rücken nach unten verlängert.
Da sich Kopf und Becken dabei voneinander wegbewegen, kommt es zu Aufrichtung und Verlängerung der Wirbelsäule. Bandscheiben und Wirbelbogengelenke werden gezielt entlastet.
Der Bewegungsimpuls für die Beckenaufrichtung gibt die Beckenbodenmuskulatur, die durch ein Anspannen der Schliessmuskeln am besten initiiert werden kann.
Die Beckenaufrichtung wird durch die Bauchmuskulatur verstärkt, die Lendenstrecker hinten neben der Wirbelsäule müssen sich dabei entspannen.
Der Bewegungsimpuls für die Aufrichtung des Kopfes wird durch den Mundschluss eingeleitet, die tiefe Halsmuskulatur liefert die hierzu notwendige Kraft. Die hintere Nackenmuskulatur muss sich dabei entspannen.
   

Übung 1: Dehnspannung im Liegen  
Ziel dieser Übung ist die Dehnung und Verlängerung der Wirbelsäule
Ausgangsposition: Legen Sie sich bequem in Rückenlage auf eine glatte, rutschige Oberfläche, die Beine sind angestellt. Machen Sie ein leichtes Hohlkreuz und einen hohlen Nacken. Drehen Sie jetzt Kopf und Becken langsam und gleichzeitig auseinander, bis die ganze Wirbelsäule entspannt und gestreckt am Boden liegt. Kinn und Bauch bleiben dabei entspannt (Übung 10-20 mal wiederholen).
Aufgespannt: Wirbelsäule mit und ohne Dehnspannung -
mit ist nicht ohne
   
Übung 2: Aufrichtung im Sitzen  
Ziel dieser Übung ist die Verlängerung und Aufrichtung der Wirbelsäule im Sitzen.
Ausgangsposition: Gehen Sie zuerst in Ihre gewohnte Sitzhaltung. Entscheidend dabei ist die Wahrnehmung der Beckenhaltung. Als häufigstes Problem im Sitzen findet man ein nach hinten gekipptes Becken, verbunden mit einem Rundrücken. Die Aufrichtung im Sitzen beginnt nicht im Rücken, sondern mit der Aufrichtung des Kopfes, mit der Verlängerung des Nackens nach oben. Die ganze Wirbelsäule folgt dieser Verlängerung nach oben, bis Sie mit aufgerichtetem Becken gerade auf Ihren beiden Sitzbeinhöckern sitzen. Wechseln Sie langsam und anstrengungslos zwischen kollabierter und aufgerichteter Sitzhaltung (6 - 8 Wiederholungen).
   
 
 
Aufmerksam: Dynamisches Sitzen belebt Körper und Geist

   
Übung 3: Zentrierung im Stehen  
Ziel dieser Übung ist das Erlernen von Aufrichtung und Zentrierung im Stehen.
Ausgangsposition: Auch bei dieser Übung nimmt das Becken eine zentrale Rolle ein. Die häufigste Fehlhaltung im Stand entsteht durch ein nach vorne gekipptes Becken mit Hohlkreuzhaltung, Rundrücken und hohlem Nacken. Beim koordinierten Stehen wird das Becken aufgerichtet, ohne es dabei nach vorne zu schieben. Der Nacken ist wieder lang, die Schultern breit, der Brustkorb bleibt entspannt. Wechseln Sie langsam zwischen kollabierter und aufgerichteter Stehweise und bringen Sie dabei Ihr Beckenzentrum über die Mitte Ihrer Standfläche (6 - 8 Wiederholungen),
Aufgerichtet: Kopf- und Beckenhaltung sind entscheidend.
   
Übung 4: Schreiben mit den Füssen  
Das Ziel dieser Übung besteht im Erlernen der spiraligen Verschraubung des Fusses, die Fussmuskulatur wird dabei selektiv gekräftigt.
Ausgangsposition: Setzen Sie im Schneidersitz einen Fuss vor sich auf den Boden, stecken Sie einen Schreibstift zwischen Grosszehe undzweite Zehe. Drehen Sie jetzt den Vorfuss - und nur den Vorfuss - gegen den Boden, als ob Sie mit der Schreibstiftspitze am Boden schreiben wollten.
Der Aussenknöchel bleibt wo er ist, nämlich am Boden, die Zehen sind entspannt. Das Knie darf sich nicht anheben. Bewegen Sie die Schreibstiftspitze rhythmisch auf und ab, der Fuss entschraubt und verschraubt sich dabei abwechselnd. Muskelkrämpfe im Bereich der Fusssohle oder an der Aussenseite des Unterschenkels sind ein guter Hinweis für korrektes Üben bei untrainierter Muskulatur ( 10 - 20 Wiederholungen).
Mit etwas Übung bekommen Sie Ihre Fussmuskeln wieder unter Kontrolle. Diesselbe Verschraubung des Fusses können Sie im Stehen üben. Und wenn Ihnen das gelungen ist, versuchen Sie es beim Gehen und beim Laufen.
Christian Heel, Physiotherapeut