Spiraldynamik® -Jahreszeitschrift 01/96
Kurswechsel
über Anne Trökes
   
Wer sich an Neuem orientiert, entdeckt oft den Sinn des Uralten.

Anna Trökes ist Yogalehrerin und Referentin für Hatha-Yoga, Fachdidaktik und Yogaphilosophie des Berufsverbandes deutscher Yogalehrer. Als erfahrene, körperbewusste Yogaexpertin wiegte sie sich seit Jahren in der Illusion, mittels gezielter Yogaübungen ihre untere Lendenwirbelsäule entlasten zu können. Folglich war sie total schockiert, als ihr vor 2 Jahren ein Orthopäde mitteilte, ihr lumbosakraler Übergang sei stark gestaucht. Im vermeintlichen Glauben, den lumbosakralen Übergang damit zu entlasten, ist sie in der Bewegung immer wieder auf andere Wirbelsäulensegmente ausgewichen.
Szenenwechsel:
Konzentrierte Ruhe im Seminarraum. Anna Trökes nimmt am Spiraldynamik-Einführungskurs für den Berufsverband deutscher Yogalehrer teil. Gleich zu Beginn des Seminares dämmert es ihr: eine scheinbar einfache Übung zur Mobilisation des lumbosakralen Überganges - eine an sich vertraute Bewegung - entpuppt sich als äusserst komplexer Ablauf:
Durch Kontraktion der Beckenbodenmuskulatur können die Sitzbeinhöcker bewegt, und das Becken kann ökonomisch aufgerichtet werden. Der untere Pol der Wirbelsäule wird "eingerollt". die Iliosakralgelenke bleiben dabei unten geschlossen und werden oben leicht geöffnet. Die Lendenlordose verringert sich wie von alleine, die Aussenrotatoren der Hüftgelenke werden automatisch tonisiert. "Die bisher von uns geübte Art der Beckenaufrichtung ist nicht differenziert genug, weil dabei der Lumbosakralübergang oftmals gestaucht wird", analysiert die Yogalehrerin.
Ähnlich überraschend sind die Erfahrungen am oberen Kopfgelenk, kritische Schwachstelle zwischen Hinterhaupt und Atlas. Durch präzise Kopfbewegungen kann in diesem Gelenk Raum geschaffen werden, ohne dass dabei, wie gewohnt, das Kinn zum Brustbein strebt. Vielmehr wird das Zungenbein nach hinten-oben gezogen, bis das Kinn im rechten Winkel zum Hals steht. "Ade, du vertrautes Doppelkinn, hiess es für viele von uns", freut sich Anne Trökes.
Werden nun diese beiden Übergangszonen gleichzeitig geöffnet, verlängert sich die gesamte Wirbelsäule und gerät dabei unter eine angenehme Dehnung. Unbewegliche Teile - beispielsweise ein Rundrücken - werden mobilisiert, überwegliche Abschnitte werden stabilisiert und davor bewahrt, bei jeder Bewegung immer wieder in die leichtgängigen Schwachstellen zu fallen.
Eine optimale Verteilung der Bewegung auf alle Wirbelsäulenabschnitte ist nicht nur bei der Aufrichtung, sondern auch bei ihrer spiraligen Verschraubung entscheidend. Selbst der Brustkorb lässt sich spiralig verschrauben! Zuerst mit Unterstützung eines Partners und später in eigener Regie können die Räume zwischen den einzelnen Rippen auf der einen Körperseite geschlossen und gleichzeit auf der anderen Seite geöffnet werden.
Voller Elan möchte Anna die neugewonnenen Erkenntnisse in vertraute Yogaübungen umsetzen. Ihr analytischer Verstand zerlegt die vertrauten Haltungen und Bewegungen in einzelne Komponenten, muss Altes weglassen und Neues hinzufügen. Denn nicht nur der Geist hat vieles neu zu ordnen, auch der Rücken muss Rückgrat beweisen. "Nach dem ersten Tag fühlte er sich wie ein wandelndes Fragezeichen! Doch am dritten Tag begreift er, dass sich ihm neue Perspektiven eröffnen: Die Entlastung einer stark belasteten Säule."
Noch Wochen später wirken diese Erfahrungen nach: "Dauernd werde ich nachts wach, weil ich mich im Traum spiralig verschraube. Alles drängt von innen heraus danach, die neuentdeckten Bewegungsmuster immer wieder wiederzufinden, um sie endgültig in die Körperstrukturen zu integrieren.
Dieses Fortbildungsseminar war für Anna ein unerwarteter Durchbruch - und dies in vielerlei Hinsicht: "Unsere Gruppe hat gemeinsam mit dem Referenten eine Lernathmosphäre geschaffen, von der ich kaum zu träumen wagte - ein konsequentes Miteinander, geprägt von grosser Offenheit. Dieses Seminar beweist den zentralen Stellenwert einer regelmässigen Weiterbildung. Denn es fordert uns in gleichem Masse wie die "Rückenschule" zum Umdenken auf! Die Spiraldynamik wird als verfeinertes Konzept der Funktions- und Wirkungsweise von Yogaübungen in die deutsche Yogalehrerausbildung integriert werden.