Zilgrei
kombinierte Haltungs- und Atemtherapie
Gymness 4.Jahrgang 3/99
geschrieben von Adriana Ernst, CH
Ursprung und Hintergrundphilosophie
Die Zilgrei-Methode hat ihre Wurzeln einerseits in der Chiropraktik, andererseits im Yoga. Der Name Zilgrei setzt sich zusammen aus den Anfangsbuchstaben der Urheber der Methode: Adriana ZILlo und Dr. Hans GREIssing. Diese beiden begannen mit der Entwicklung dieser Methode Ende der 70er Jahre in Mailand. Im Gegensatz zu scheinbar ähnlichen aus dem Orient überlieferten Praktiken bzw. Therapien erfordert Zilgrei keine Anlehnung an eine bestimmte Philosophie oder Lebenseinstellung. Vielmehr kommen anatomische und neurophysiologische Mechanismen zum Einsatz, die nichts mit einer Glaubensrichtung, sondern mit konsequenter Anwendung zu tun haben.
Gezielte Hilfe zur Selbsthilfe
Die Zilgrei-Methode ist eine Form der Selbstbehandlung, weshalb sie besonders für jene Menschen geeignet ist, die gern selbst etwa tun möchten für ihre Genesung bzw. Gesundheitsvorsorge; für Menschen demnach, die Selbstverantwortung und Unabhängigkeit zu schätzen wissen. Die Methode besteht aus Anwendungen, die auf natürlichen, anatomisch und physiologisch fundierten Vorgängen und Techniken aufgebaut sind. Diese werden gezielt eingesetzt, um den Organismus bei Fehlfunktionen zu normalisieren oder um die normale Tätigkeit des Organismus, der meist durch Belastungen aller Art ge- oder überfordert wird, zu erhalten.
Hauptziel der Methode ist es, vom Ist-Zustand des Patienten ausgehend, muskuläre und strukturelle Disbalancen und ihre Auswirkungen zu beheben. Dieser Ist-Zustand ist durch einfache, äusserst schlüssige Bewegungstests (grundlegende Bestandteile der Methode) ermittelbar.
Aus: Zilgrei gegen Rückenschmerzen H.Greissing/A.Zillo Mosaik Verlag
In Anlehnung an das jeweilige Testergebnis, das nicht mit einer Diagnose zu verwechseln ist, sondern Aufschluss über die Bewegungsfähigkeit und über die bestehende Schmerzsymptomatik gibt, wird durch gezielte Körperarbeit - je nach Fall in Form von Entspannung oder Anspannung - Ausgleich und Normalisierung herbeigeführt. Die Ausführenden werden sich durch die Selbstuntersuchung ihrer eigenen physischen und psychischen Zustände bewusst und lernen durch die Anwendung von Zilgrei, beides aus sich selbst heraus zu beeinflussen. Es handelt sich bei Zilgrei aber nicht um ein übendes Verfahren, sondern um Selbstanwendungen mit therapeutischer Wirkung, die vom Menschen erlernt und bei Bedarf angewendet werden. Voraussetzung für den Erfolg der Methode ist ihr korrekter und konsequenter Einsatz.
Die Anwendungen sind schmerzlos, da sie einerseits grundsätzlich entgegengesetzt zur Symptome auslösenden Bewegungsrichtung eingesetzt werden, andererseits jedoch nur aus physiologisch normalen Bewegungen oder Stellungen - kombiniert mit der sogenannten dynamogenen Atmung - bestehen.
Meine persönlichen Erfahrungen mit Zilgrei
Letztens hatte ich mir beim Transportieren eines schweren Massagetisches eine Bandscheibe verschoben. Am nächsten Tag ging ich zu meiner Hausärztin, denn ich wusste nicht, wie schlimm ES war. Lag ich auf dem Rücken oder führte nur "Roboterbewegungen" aus, ging es ganz gut. Jede kleinste Bewegungsrichtungsänderung (eine kleine Drehung des Kopfes oder eine Spontanbewegung etwa) liess mich unverkennbar spüren, dass mit meinem Rücken im LWS-Bereich etwas nicht stimmen konnte. Meine Hausärztin schob dann die Bandscheibe mittels gezielter Massage auf den ursprünglichen Platz zurück. Zusätzlich spritzte sie mir ein homööpathisches Mittel. Sie konnte aber nicht garantieren, dass die Bandscheibe halten würde. Wieder zu Hause, ging es mir erstaunlich gut - bis zum nächsten Morgen. Ich kam kaum aus dem Bett, jede Bewegung verschlug mir fast den Atem und - wie es wohl so mit Schmerzen ist - ich bewegte mich kaum mehr, getraute mich fast nicht mehr zu atmen. Dazu kam noch der Horrorgedanke, dass das nun ein klassischer Bandscheibenvorfall sein musste.
Nuns sass oder stand ich also da und fing mit der Zilgrei-Atmung an; dazu begann ich, kleinstmögliche Bewegungen in diversen Richtungen zu testen. Anfangs konnte ich mich nur auf der Vorwärts-Rückwärts-Ebene sehr gering bewegen. Ich wandte also diese Kleinstbewegungen an und kombinierte sie mit der Zilgrei-Atmung. Zwischendurch legte ich mich über einen grossen Gymnastikball und bediente mich weiter der Zilgrei-Atmung. Die Schmerzen verschlimmrten sich nicht. Nach einem halben Tag wusste ich, dass ich in Bewegung bleiben musste (Bewegungen von Millimetern bis wenigen Zentimetern). Diese Minibewegungen wiederholte ich halbstündlich oder stündlich, stets zusammen mit der Zilgrei-Atmung.
So verbrachte ich die ersten 3 Tage: Zilgrei-Bewegungen oder -stellungen kombiniert mit Zilgrei-Atmung. Dazwischen lag ich auf dem Gymnastikball, auf dem Boden oder auf dem Sofa. Anfangs schmerzten alle Drehbewegungen, und ein Ortswechsel vom Sofa auf den Boden oder umgekehrt schien ewig zu dauern. In meinem bisherigen Leben hatte ich mich noch nie so langsam bewegt. Aber es funktionierte. Nach einer Woche ging es mir bereits rechts gut; nach zwei Wochen konnte ich meine Rückengymnastikkurse wieder selbst geben, nach drei Wochen sogar alle Kursstunden.
Im Rückblick auf diesen Vorfall überzeugt mich die Zilgrei-Methode noch mehr. Es ist möglich, im kleinsten (Millimeter-)Bewegungsbereich auf allen Bewegungsebenen (nach den Zilgrei-Tests), kombiniert mit der Zilgrei-Atmung, zu arbeiten. Was mich erstaunte, war die Tatsache, dass Schonung und sich ruhig verhalten nicht immer das Richtige sind. Natürlich halten wir still, wenn es weh tut. Aber die Zilgrei-Methode ermöglicht, Schmerzzustände im kleinsten Bewegungsbereich und mit gezielter (Zilgrei-)Atmung zu bekämpfen. Vermutlich könnten viele chronische Schmerzen, die auf eine Unfallverletzung zurückzuführen sind, vermieden werden, wenn wir das Schmerzumfeld beweglich behielten.--- Adriana Ernst